Große Firmen und Konzerne haben die Ressourcen, quasi auf Knopfdruck ihre Aktivitäten auf eine Vielzahl von separaten Gesellschaften zu verteilen oder auszulagern. Das hat in der Regel legitime Gründe, zum Beispiel um Partnerschaften einzugehen, Beteiligungen zu bündeln oder international aktiv zu werden.
Solche Zusammenhänge versuchen wir auf North Data über unsere Netzwerkdarstellungen sichtbar und verständlich zu machen. Die Vernetzung ist einer der wichtigsten Aspekte wirtschaftlicher Tätigkeit in unserem digitalen Zeitalter – vielleicht sogar der wichtigste.
Querverbindungen stellen wir auf verschiedene Art her, insbesondere über die involvierten Personen. Damit sind nicht Mitarbeiter oder Kunden gemeint (diese unterliegen dem Datenschutz), sondern die offiziellen gesetzlichen Vertreter (wie Geschäftsführer) oder sogenannten "Wirtschaftlichen Berechtigten" (in der Regel Mehrheitseigner). Keine Firma kann in der Anonymität agieren, sondern muss ihre Vertreter öffentlich benennen.
Personen mit vielen Querverbindungen sind häufig Investoren, Gründer oder sogar Seriengründer. Diese freuen sich – zu Recht – über unsere Darstellung, und für viele ist das Netzwerk sogar ein Aushängeschild. Aus dieser Gruppe bekommen wir regelmäßig Bitten, Netzwerke zusammenzuführen oder zu ergänzen (was wir nicht immer tun können).
In der großen Mehrzahl aller Fälle hat die Aufteilung auf separate Gesellschaften also legitime Gründe, wie die oben genannten, aber nicht immer. Im Folgenden betrachten wir typische Fälle von “problematischen” Gründen.
Nach den Corona-Superspreader-Vorfällen in Schlachthöfen wurden im Frühjahr 2020 Verschärfungen für Schlachterei-Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern eingeführt. Der größte deutsche Fleischverarbeiter Tönnies installierte daraufhin kurzerhand 15 neue Gesellschaften, mutmaßlich um seine Mitarbeiter darauf zu verteilen und die neue Grenze nicht zu überschreiten.
Generell sind kleine Gesellschaften weniger reguliert: sie haben weniger Vorschriften und Regeln, zum Beispiel in der finanziellen Offenlegung (Erleichterungen für Kleinst-/und Kleinstkapitalgesellschaften) oder bei Arbeitnehmerrechten. Das Prinzip der “Stückelung” ist von Parteispenden bekannt: Um nicht die Obergrenze zu überschreiten, ab der eine Offenlegung erforderlich ist, stückelt man die Spende in mehrere kleine Spenden.
Im englischsprachigen Raum bezeichnet man diese Strategie auch als Smurfing – insbesondere im Zusammenhang mit Geldwäsche.
Die German Property Group/Dolphin Capital geriet 2021 in die Schlagzeilen, als britische Rentner kollektiv von Kanzlerin Merkel einen Ersatz für den Verlust ihrer vermeintlichen Altersvorsorge forderten (Hintergrundartikel auf Business Insider). Dolphin war ein undurchsichtiges Konglomerat aus mehreren hundert Einzelgesellschaften um den Hauptverantwortlichen Charles Smethurst (Smethurst's Profil auf North Data), und fiel 2020 wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Der Gesamtschaden für die Anleger wird auf über 1 Mrd. Euro geschätzt, die Geldströme werden nie mehr rekonstruierbar sein. Innerhalb eines solchen Netzwerks sind sowohl Gelder als auch Risiken praktisch beliebig verschiebbar, und für den Außenstehenden ist das Risiko nicht mehr einschätzbar. Aber die Konstruktion des Netzwerks kann als Warnsignal dienen und zu Fragen führen.
Idealerweise vertritt ein Geschäftsführer oder Vorstand die Interessen der jeweiligen Gesellschaft, ihrer Investoren (“Shareholder”) und berücksichtigt dabei die Belange anderer Beteiligter wie Mitarbeiter oder Geschäftspartner (“Stakeholder”). Zumindest wird der Außenstehende guten Gewissens davon ausgehen.
Gerade im Immobilienbereich ist dies häufig nicht der Fall. Zum Beispiel wird ein Mieter annehmen dürfen, dass die vom Vermieter beauftragte Hausverwaltung über die Nebenkosten abgerechnete Dienstleistungen wie Hausmeister kostengünstig beauftragt. In der Praxis findet man immer wieder personelle Überschneidungen (Ein Beispiel von vielen in diesem Artikel der TAZ).
Die Netzwerkanalyse kann solche Konflikte aufdecken.
Wird die Transparenz tatsächlich zu unangenehm für einen Unternehmer, versprechen findige Berater Lösungen, die Lücken in der Gesetzgebung gezielt ausnutzen. René Benko war ein Meister der Haftungsflucht in großem Maßstab (Artikel im North-Data-Blog).
Für kleine Unternehmen gibt es die blitzschnelle Entsorgung von der Stange – per Google Ads bewerben Dienstleister, wie man die deutsche Liquidationsanforderungen “legal umgeht”:
Hemdsärmeliger ist die Einsetzung von Strohmännern als Geschäftsführer, die buchstäblich auf der Straße aufgelesen werden (RBB TV-Doku zu Illegalen Autorennen in Berlin).
Oder richtig dreist: Ein Geschäftsführer eines verzweigten Firmennetzwerks, welches in einen schweren Immobilienskandal verwickelt war, änderte kurzerhand seinen Nachnamen. Dann verklagte er uns, die Einträge unter seinem neuen Namen nicht mit seinem alten Namen zusammenzuführen, wohl um seine Beteiligung an dem Skandal zu verschleiern. Das Landgericht Hamburg schmetterte dieses Anliegen ab: “Die Verwendung des neuen Namens des Klägers steht auch im Einklang mit dem berechtigten Interesse [von North Data], Transparenz hinsichtlich des verantwortlichen Personals von Kapitalgesellschaften herzustellen.”
Um Licht in solche Fälle zu bringen, ist es notwendig, dass auch historische Information in die Netzwerkdarstellung einfließt, um zeitliche Abläufe erkennen zu können.
Die Digitalisierung in Form von Excel & Co. macht Firmen die Aufgliederung ihrer Aktivitäten auf eine Vielzahl von miteinander auf unterschiedliche Arten verbundenen Gesellschaften möglich. Die Firmen werden damit den komplexen Herausforderungen einer modernen vernetzten Welt gerecht.
Im Gegenzug dazu müssen Kunden, Lieferanten, Gläubiger, Mitarbeiter und Journalisten die Werkzeuge an die Hand bekommen, um diese Zusammenhänge zu navigieren und zu verstehen. Das betrachten wir bei North Data als unsere Kernaufgabe. Die Basis unserer Netzwerkdarstellung sind gesellschaftsrechtliche Querverbindungen zwischen Firmen und Personen – viele davon länderübergreifend. Aber auch geografische, lexikalische und zeitliche Aspekte fließen ein, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten, wie eine Firma als wirtschaftlicher Akteur eingeordnet werden kann.