Blog Banner

The North Data Blog

“Wir müssen die Nutzung von Daten in der investigativen Recherche neu denken”

Introducing Christina Brause

Ein Interview mit Christina Brause

Hallo Christina, schön, dass du bei North Data bist. Bitte stelle dich unseren Lesern in ein paar Worten vor.

Ich bin investigative Datenjournalistin, lebe in Berlin und habe kürzlich als Investigator in Residence bei North Data angefangen. Ich arbeite seit 17 Jahren im Journalismus und habe mich zunehmend auf investigativen und Datenjournalismus spezialisiert. Mich reizt es, tiefer zu graben und unkonventionelle Methoden zu nutzen, um Details aufzudecken, die andere vielleicht übersehen oder sogar lieber verbergen würden. Ich bin leidenschaftlich an Daten und Programmieren interessiert – besonders seit ich vor Jahren auf einer Konferenz hörte, wie ein Journalistenteam maschinelles Lernen nutzte, um versteckte FBI-Spionageflugzeuge durch die Analyse von Flugdaten aufzudecken. Von diesem Moment an war mir klar: Ich muss lernen zu programmieren und herausfinden, wie ich diese Fähigkeit effektiv in der Recherche einsetzen kann. Das habe ich dann auch getan – an der Columbia University und während meiner Arbeit mit dem Daten-Reporting-Team der Washington Post. Seitdem setze ich mich dafür ein, die Art und Weise, wie wir Daten in der investigativen Recherche nutzen, neu zu denken, zunächst als stellvertretende Ressortleiterin Investigation bei Welt, dann als freie Journalistin, auf Konferenzen und jetzt hier bei North Data.

Was hat dich dazu gebracht, dich auf die Position als Investigator in Residence zu bewerben? 

Fast zeitgleich, als ich diese Vakanz las, meldeten sich befreundete Journalisten bei mir und ermutigten mich zur Bewerbung. Das hat mich nur bestärkt und somit habe ich noch am selben Tag meine Bewerbung abgesendet. 

Und warum genau?

Es ist das erste Mal, dass ich so eine Rolle gesehen habe, insbesondere in einem Unternehmen außerhalb der traditionellen Nachrichtenredaktion und weit über mein übliches Terrain hinaus. Der Job passt zu meiner eigenen Mission und ist gleichzeitig auch eine neue Herausforderung für mich persönlich, im besten Sinne: Ich bin jetzt Teil eines Teams, das seine ganze Energie der Arbeit mit Daten widmet. Was mich noch mehr begeistert, ist das “Duale” an der Rolle: Ich kann meine Fähigkeiten und Erfahrungen dem Unternehmen zur Verfügung stellen und habe dabei gleichzeitig sehr viel Flexibilität, eigene Recherchen zu verfolgen. Außerdem kann ich auf den reichen Datenschatz zugreifen, den das Team sammelt und analysiert. Diese Kombination aus Freiheit und Ressourcen habe ich bisher nirgendwo sonst gefunden. 

Gibt es spezielle Themen, in die du gern tiefer einsteigen möchtest?

Auf jeden Fall. Ich bin besonders an der Schnittstelle von Technologie, nationaler Sicherheit und Verteidigung interessiert. Das ist ein wichtiger Bereich im Allgemeinen, aber in der heutigen politischen Lage noch viel mehr. Ich bin auch fasziniert vom Potenzial von Remote Sensing – Informationen, die aus der Ferne gesammelt werden, wie zum Beispiel Satellitenbilder. Ich würde gerne Wege finden und ausbauen, um solche Remote Sensing Daten mit Unternehmensdaten zu kombinieren. Das ist bisher ein weitgehend unerschlossener Bereich.

Für welche Art von Recherche sind Informationen von North Data am relevantesten?

Ich habe schon viel mit Unternehmensdaten gearbeitet, hauptsächlich durch OSINT-Recherchen (Open Source Intelligence). Ich habe North Data schon früher genutzt und finde es besonders wertvoll, um grenzüberschreitende Netzwerke und Verbindungen aufzudecken. Daten auf Deutsch, Englisch und Französisch auszuwerten, ist für mich Routine. In Ländern wie Polen, deren Sprache ich nicht spreche, wird es dagegen extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Unbekannte Unternehmensstrukturen zu erkennen und riesige Datenmengen in einer Fremdsprache oder sogar einem anderen Alphabet zu durchforsten, ist ein echtes Hindernis. Hier hilft es enorm, übersetzte Daten konsolidiert und strukturiert zur Verfügung zu haben.

Du pendelst jetzt häufiger mit dem Zug zwischen deinem Wohnort Berlin und North Data's Büro in Hamburg. Wie verbringst du deine Zeit im Zug? 

Viel im Zug unterwegs zu sein ist für mich nichts Neues. Ich habe im Laufe der Jahre unzählige Stunden auf Schienen verbracht. Das begann, als ich Au-Pair in Paris war, und setzte sich während meines Studiums fort. Als ich nach Berlin gezogen bin, dauerte mein Arbeitsweg genauso lange wie während meines Masters, als ich ständig zwischen Leipzig und Halle unterwegs war und dabei sogar das Bundesland gewechselt habe. Sagen wir einfach, ich bin geübt darin.

Hast du Empfehlungen für Podcasts, Bücher, Magazine oder ähnliches? 

Wenn ich morgens das Haus verlasse, habe ich bereits mindestens eine Stunde Nachrichtenradio gehört. Ich bin immer noch dem MDR treu, wo ich jahrelang gearbeitet habe. Sobald ich im Zug sitze, beschäftige ich mich mit der internationalen Presse. Das ist seit Jahren die New York Times, und neuerdings habe ich The Economist hinzugefügt, weil ich deren geopolitische Berichterstattung wirklich schätze. Danach höre ich normalerweise einen Podcast, wie „Defence Innovation“, „The Daily“ oder „Anne Will“. Diese gesamte Morgenroutine wird von einer wohl eher ungesunden Menge Kaffee ermöglicht, beziehungsweise begleitet. 

Für die Rückreise nach Berlin nehme ich immer ein Buch mit. Ich habe gerade „Wenn Russland gewinnt“ von Carlo Masala beendet. Aber wenn mir der Sinn nach etwas Leichterem steht, höre ich gerne „Skandal, Skandal“ oder Esther Perel.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Christina!

Geschrieben am 20.06.2025

Unsere Beiträge

Lists by Topic

Abonniere unseren Blog

Follow us